Seit 1991 die einzige deutsch-ungarische Gesellschaft mit Sitz in der deutschen Hauptstadt
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Die Deutsch-Ungarische
Gesellschaft e. V. (DUG) -
eine tragfähige Brücke
zwischen den Völkern!
RÜCKBLICK auf die letzte Veranstaltung der DUG (27. September 2023)
Die Veranstaltung zum Thema
"REBELLION IN DER NUSSSCHALE.
(Nicht nur) Groteskes aus Mittelosteuropa"
fand aus Anlaß des Internationalen Übersetzertages, des jeweils am letzten Septembertag von der EU zur Ehre der Übersetzer begangenen Hieronymus-Tages,
am 27. September 2023 um 19.00 Uhr im Collegium Hungaricum Berlin (CHB), Dorotheenstr. 12, 10117 Berlin
statt und hat die Vorstellung neu übersetzter "Minutennovellen" István Örkénys zum Gegenstand. Sie wird gemeinsam von der Weltlesebühne e. V., dem Collegium Hungaricum Berlin und der Deutsch-Ungarischen Gesellschaft e. V. mit Sitz in Berlin getragen und zusammen mit einem Zuschuß des Deutschen Übersetzerfonds finanziert.
Das von TÜNDE MALOMVÖLGYI übersetzte und bei DANUBE-BOOKS herausgegebene Lesebuch "Rebellion in der Nussschale" (2023, danube books, Ulm) ist ihr übersetzerisches Debüt. Das Buch versammelt bislang noch nicht ins Deutsche übertragene groteske Prosa-Miniaturen, mit denen ISTVÁN ÖRKÉNY (1912-1972) das Genre der grotesken Minutennovellen begründete sowie andere Texte, um die Kehrseite der grotesken Perspektive zu veranschaulichen. Die Übersetzerin TIMEA TANKÓ spricht mit Tünde Malomvölgyi über das Übersetzen von Kurzprosa und Humor, und wie aus einer langjährigen Idee die erste Veröffentlichung wurde.
Im Anschluss an das Gespräch liest der Schauspieler STEPHAN SZÁSZ ab 20.30 Uhr eine Auswahl aus Örkénys Erzählungen, in denen der Autor stets mit nüchternem Blick die gesellschaftlichen Verhältnisse seiner Zeit reflektiert.
Tünde Malomvölgyi (geb. 1990) lebte von klein auf im Dazwischen zweier Sprachen und zweier Länder. Die erste Begegnung mit Örkény in der Schule war prägend. 2012 zog sie aus Ungarn nach Leipzig. Das István Örkény-Lesebuch, ist ihre erste eigenständige Übersetzung.
Timea Tankó (geb. 1978) verbrachte ihre Kindheit in Ungarn und Deutschland und arbeitet seit 2003 als literarische Übersetzerin aus dem Ungarischen (u.a. István Kemény, Andor Endre Gelléri, György Dragomán und Antal Szerb) und Französischen. Für ihre Übersetzung Apropos Casanova von Miklós Szentkuthy wurde sie 2021 mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet.
Zum Leben des Schriftstellers ISTVÁN ÖRKÉNY
(unter teilweiser Verwendung von Inhalten unter https://de.wikipedia.org/wiki/Istv%C3%A1n_%C3%96rk%C3%A9ny:):
István Örkény wurde am 5. April 1912 in Budapest. dem königlich-ungarischen Teil in der k.u.k. Doppelmonarchie, geboren und starb am 24. Juni 1979 in Budapest, der lustigsten Baracke im Weltreich der kommunistischen UdSSR). Er war ungarischer Schriftsteller und Dramatiker.
Als Sohn eines Apothekers studierte István Örkény angewandte Chemie, wechselte aber zur Pharmazie (Abschluß 1934), unterbrach wegen einiger schwarzer Flecken in seiner Vita das in Budapest begonnene Chemieingenieur-Studium mit Aufenthalten bis 1940 im Ausland (Paris, London) und es gelang ihm - zu seinem Glück oder zu seinem Pech? -, daß er den Beginn des Ersten Weltkrieges im letzten Zug aus Paris nach Budapest unbeschadet erlebte. In Budapest beendete er erfolgreich sein Chemieingenieur-Studium.
Die Fortsetzung seiner mit dem „Ozeantanz“ begonnenen schriftstellerischen Arbeit verhinderte ein Jahr später (1942) seine Abordnung in ein Arbeitsbataillon, mit dem er in russische Kriegsgefangenschaft geriet und man ihn in einem Lager bei Moskau internierte (zu seinen Erlebnissen vgl. sein Buch „Lagervolk“). 1946 kehrte er nach Budapest zurück, wo er seine Schriftstellerkarriere fortsetzte.
Als Jude dem Sozialismus gegenüber kritisch eingestellt, wurde er Mitte der 1950er Jahre mit einem Schreibverbot belegt, konnte aber einige wenige Jahre als Dramaturg arbeiten (in Erinnerung an jene Zeit wurde das Kleine Madách-Theater 2004 nach ihm benannt und heißt seitdem Örkény Színház).
Bei Ausbruch der ungarischen Revolution 1956 kritisierte er den ungarischen Rundfunk mit den Worten: „Wir haben des Tags gelogen, wir haben des Nachts gelogen, wir haben auf jeder Wellenlänge gelogen“. Die Reaktion: Seine Bitte und die anderer Schriftsteller um Gewährung von Asyl in der polnischen Botschaft wurde dort - im sozialistischen Schulterschluß mit den Befehlen der Sowjets - abgelehnt. Sein Versuch, gemeinsam mit fünf Kollegen seine Rolle in der 1956er Revolution gegenüber den Sowjets herunterzuspielen und klein zu reden, scheiterte und trug ihm von 1957 bis 1960 ein neues Schreibverbot ein. Mit Aufhebung des Verbots begann seine schriftstellerische Karriere.
Das bekannteste Werk Örkénys sind seine Minutennovellen (ungarisch Egyperces novellák), die er stilbildend fortentwickelt hat. Mit diesen begründete er eine neue Gattung in der Literatur. Die Minutennovellen entstanden in Örkénys eigenen Worten als Lockerungsübungen während seiner Arbeit an den Romanen. Sie zu lesen dauert höchstens eine Minute, weshalb sie für die heutige moderne und schnellebige Zeit wie geschaffen zu sein scheinen. In seinen Kurzgeschichten schildert Örkény das Alltägliche, das Banale, führt dieses aber regelmäßig ins Absurde.
Gleichzeitig wird der Leser herausgefordert, weiterzudenken, da die Minutennovellen oft mit einem offenen Ende versehen sind, das zum Weiterspinnen der Geschichte anregt.
Während andere Schriftsteller einen in zwanzig Minuten konsumierbaren Text mit der Schilderung der Kleidung, der Frisur und ides Gehabes der Protagonistin verfassen, ohne daß diese Schilderungen die Situation voranbringen, geht es Örkény darum, in wenigen Sekunden Spannung aufzubauen und ebenso schnell eine überraschende Wende herbeizuführen - alles, was der Spannung nicht nutzt, wird weggelassen.
Von Örkénys hinterlassenen Minutennovellen erschienen bisher etwa 400, davon im Jahre 1967 ein erster Teil. Aus seinen Romanen ist es besonders „Das Lagervolk“ und damit seine in eigenen Worten „Soziographie des Kriegsgefangenenlagers“, die er immer wieder aufgreift und die wie ein Fixpunkt seines Lebens erscheinen. Daraus findet er „das Erfahrungsmaterial für seine Minutennovellen“. Sein die Grotesken des 20. Jahrhunderts widerspiegelndes Werk will die Antworten auf das nicht weniger groteskenreiche 19. Jahrhundert geben.
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